Direkt zum Hauptbereich

Oberbürgermeister Dr. Spies wünscht, dass Marburg in den nächsten 5 Jahren frei von Obdachlosigkeit wird | Eröffnung des Projekts Elisabeth hat kein Bett

Marburg. Das Projekt „Elisabeth hat kein Bett“ möchte nicht nur zum Thema Obdachlosigkeit in Marburg informieren, sondern stellt auch Lösungsansätze vor und möchte durch persönliche Gespräche, verschiedene Veranstaltungen an drei zentralen Orten in der Stadt das Thema in die Mitte der Bürger*innen rücken. 

Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies (hinter dem Keyboard, SPD) eröffnet die Wanderausstellung der Tagesaufenthaltsstätte des Diakonischen Werkes Marburg-Biedenkopf im Rahmen von Marburg800


„Ich weiß nicht, ob wir es schaffen würden und ob es funktioniert.“ Das erklärt Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies (SPD) in seiner Eröffnungsrede von „Elisabeth hat kein Bett“, einem Projekt des Diakonischen Werkes Marburg-Biedenkopf an Palmsonntag auf dem Platz der weißen Rose im Stadtwald. In fünf Jahren solle niemand in Marburg mehr draußen „am Rande der Gesellschaft“ schlafen müssen. Doch wie wir da hinkommen, das lässt er offen. „Aber wir sollten es uns vornehmen“, deshalb wünsche er der Stadt „ganz viel Erfolg auf dem Weg“. Währenddessen wird der Bildschirm am mobilen Schlaf- und Wohncontainer durch den Hackspace Marburg aufgebaut, auf dem in Zukunft Informationsvideos, Interviews und Weiteres ablaufen sollen. Der samt Inneneinrichtung und vielen visuell dargestellten Informationen wird im Laufe des Jahres an mehreren Standorten in der Stadt auffindbar sein, unter anderem vor dem Erwin-Piscator-Haus. 
Um möglichst umweltfreundlich und klimaneutral zu bleiben, wird der Container durch eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach betrieben, um die sich das Marburger Unternehmen Sames Solar kümmert. Nach den vielen Veranstaltungen im Rahmen des Stadtjubiläums wird dieser Container durch Betroffene bewohnt.

Heilige Elisabeth von Thüringen obdachlos

Die heilige Elisabeth von Thüringen, nach der auch die Marburger Elisabethkirche benannt ist, sei „eine Zeit lang obdachlos“ gewesen, so der Oberbürgermeister. “Elisabeth von Thüringen hat ihren obdachlosen Winter 1227/28 in Eisenach verbracht”, da niemand sie aufnehmen wollte, „obwohl viele Räume frei waren“, steht auf einem Plakat, das an dem mobilen Schlaf- und Wohncontainer hängt. Nachdem der Chor Ockershausen gesungen hat, ergreift Sven Kepper das Mikrofon. Er ist Leiter des regionalen Diakonischen Werkes, von dessen Wohnungsnotfallhilfe das Projekt „Elisabeth hat kein Bett“ organisiert wird. Man merkt schnell, dass das Werk zur Kirche gehört: Schon in seinen ersten Sätzen blickt er auf Maria und Josef zurück, die keine Unterkunft in Bethlehem bekommen konnten. „Unser christlicher Glaube beginnt mit der Erfahrung von Wohnungslosigkeit.“ Dies zeige, dass die „wahren Könige dieser Welt“ nicht „Dummköpfe wie Putin“, wären, die glaubten, sie könnten sich schöne Paläste bauen und hätten dadurch einen besseren Platz in der Welt. 
Der Platz ist gut gefüllt, unter den Menschen sind einige Politiker anwesend, auch Bürgermeisterin Nadine Bernshausen, sowie Kirchenmitglieder, obdach- bzw. wohnungslose Menschen und der Geschäftsführer der GeWoBau Marburg. Anhand des Einzugs von Jesus nach Jerusalem an Palmsonntag erklärt Sven Kepper, was die Aufgabe des Diakonischen Werkes ist, und stellt dies vor, indem er die Parallelen von damals zu heute sucht. Das Thema Obdachlosigkeit soll den Menschen stärker vor Augen geführt werden, was unter anderem durch persönliche Gespräche mit Betroffenen oder Veranstaltungen im Rahmen von Marburg800 (die OP berichtete) unter dem Projekt “Elisabeth hat kein Bett” geschehen soll, welches hauptsächlich durch Ehrenamtliche organisiert wird. Am 11.09., dem Tag der Obdachlosen, stellen Wissenschaftlerinnen der Hochschule Luzern aus der Schweiz mit dem Fachbereich Technik und Architektur und dem Kompetenzzentrum für Typologie, Planung und Architektur auf dem Lutherischen Pfarrhof die Ergebnisse einer Studie zum Thea Wohnen im Kleinstformat aus der Schweiz und Marburg vor. 
Während der kompletten Veranstaltung kommen interessierte Personen dazu. Nach einigen weiteren Reden von Mitarbeiter*innen des Diakonischen Werkes mischt sich der Chor unter das Publikum und alle singen gemeinsam „Sag mir wo die Blumen sind“, alle Anwesenden singen mit kräftiger Stimme mit. Es erinnert an den Krieg, den Putin in der Ukraine führt. Auch dort verlieren Millionen von Menschen ihre Wohnungen und Häuser durch die Bomben und die Gewalt Russlands. Sie flüchten und werden obdachlos. 
Obwohl all das ernste Themen sind, wird beim abschließenden Mahl viel gelacht, die Stimmung ist gut, ungeachtet der niedrigen Temperaturen und des kalten Windes. Die „Küche für alle“ sorgt für das Essen, zur gleichen Zeit kommen obdach- und wohnungslose Menschen mit Politiker*innen, Kirchenmitgliedern, aber auch interessierten Leuten ins Gespräch. Über den anonymen Interviews mit Betroffenen, die an dem Container hängen, befinden sich Portraits von einigen Besucher*innen der Tagesaufenthaltsstätte des DW, mittendrin ein Hund. Ein Kind, das zufällig mit seiner Mutter und Schwester vorbeikommt, fragt nach dem Hund. Ein Mitarbeiter der TAS erklärt, da einige Klient*innen einen Hund mit sich führten, sei dieser ein fester Bestandteil ihres Lebens und werde deshalb auch z.B. mit Hundefutter durch die Mitarbeiter*innen versorgt, gleichzeitig freuen sich die Porträtierten und sind „happy“. Der Oberbürgermeister kommt mit einigen Menschen ins Gespräch, der Bildschirm wird an der Rückseite aufgehangen, Kontakte werden geknüpft. Fahrradfahrer*innen schauen vorbei, auf den Bus Wartende sehen sich die Plakate an, die Sonne scheint.
Es ist offensichtlich, dass alle an dem Thema interessiert sind, Lösungsmöglichkeiten werden viel untereinander diskutiert – dass man Obdachlosigkeit bekämpfen muss ist in Stein gemeißelt – nur   der Weg dahin nicht. 

Der Container ist im Laufe des Jahres hier zu finden: 

  • 10.04. – 16.05.: Auf dem Platz der Weißen Rose im Marburger Stadtwald
  • 17.05. – 29.06.: Vor dem Erwin-Piscator-Haus
  • 01.07. – 30.09.: Auf dem Lutherischen Pfarrhof

Die nächsten Veranstaltungen: 

Weitere Informationen am Container, auf der Webseite, Instagram, Google und im Blog.

Leo Schneider, 11.04.2022, Gymnasium Philippinum, 8a, für das Schülerprojekt der Oberhessischen Presse

Kommentare

Beliebte Posts

Elisabeth hat (k)ein Bett | Hochschule Luzern

Welche Wohnbedürfnisse haben obdachlose Menschen? Wie können Forschungserkenntnisse zu Kleinwohnformen für Betroffene und Entscheidungsträger/innen in der Politik und im Wohnungsbau anwendbar gemacht werden? Am Tag der Wohnungslosen präsentierten zwei Forscherinnen der Hochschule Luzern interessante Umfrageergebnisse aus Sicht der Betroffenen. Am Tag der Wohnungslosen, am 11. September 2022, stellten die Wissenschaftlerinnen  Selina Lutz  und  Stephanie Weiss  in der deutschen Stadt Marburg die Ergebnisse einer Befragung von wohnungslosen Menschen  zu ihrer Wohnsituation und ihren Wohnbedürfnissen vor. Im Rahmen des von der Innosuisse (Schweizerische Agentur für Innovationsförderung) und dem ITC (Interdisziplinärer Themencluster der Hochschule Luzern) geförderten interdisziplinären Projekts  Kleinwohnformen: Wohn- und Lebensräume mit Potenzial?  fand eine Kooperation mit der Wohnungsnotfallhilfe des Diakonischen Werks Marburg-Biedenkopf in Mittelhessen statt. Parallel zur umfangreichen